Reisetext

Island: Feuer unter dem Eis

Wer noch nie dort war, hält Island nur zu oft für ein Eisland: ein kühles Fleckchen Welt im hohen Norden, dem Polarkreis ganz nah. Dabei könnte die Insel, wo die Sommersonne erst nach Mitternacht untergeht, aus guten Gründen auch Feuerland heißen. Denn unter Islands Gletschern geht es heiß her.

Hier brodeln höllische Naturgewalten: Im vulkanisch aktivsten Gebiet Europas öffnet sich alle paar Jahre die Erde, lässt Dampf ab und spuckt Lava aus. Hekla, Islands bekanntester Vulkan, brachte zuletzt im Jahr 2000 das Meer mal wieder zum Kochen. Heiße Springquellen schleudern Fontänen über zu 30 Meter hoch. Geysir Strokkur z. B., zu Deutsch bieder „Butterfass“, tobt etwa im 5-Minuten-Takt.

Inmitten spröder Lavafelder laden naturwarme Mineralbäder wie die „Blaue Lagune“ nah Reykjavík zum wohltemperierten Openair-Badespaß. Egal ob es friert oder – im Sommer nicht unüblich – das Thermometer die 20-Grad-Marke sprengt: In „Hot Pots“ kann man sich rund ums Jahr in körperwarmem Nass suhlen.

Und auch oberirdisch geht es heiß her. Hauptstadt Reykjavík lockt mit turbulentem Nightlife bis in die Morgenstunden. Doch nicht jeder kommt der Party-Szene wegen ins Land. „Viele wollen dem Alltagstrubel entfliehen und unsere Naturwunder hautnah zu erleben“, erzählt Arinbjörn Jóhannsson, der seit rund 20 Jahren für das Deutsche Jugendherbergswerk Erlebnistouren zu Fuß und zu Pferd organisiert.

Fernab aller Touristenpfade geht es tagelang von Hütte zu Hütte durch das unbewohnbare Hochland im Inselwesten. Keine Menschen, keine Autos. Hier sind Wanderer tagelang ganz mit sich allein – und nah dran an den Elementen. Wasser ist allgegenwärtig: als warmer Quell oder unbezähmbarer Fluss, als stilles Gletscherfeld oder berauschender Wasserfall (wie der „göttliche“ Godafoss und Gullfoss, der „Goldene“). Bizarre Lavagebilde formen das Land, Rysolith- und Schwefelberge färben es ein, Moosfelder, Heide und Weideland setzen grüne Akzente.

„Die menschenleere Landschaft berührt die Seele“, sagt Arinbjörn Jóhannsson. Spirituelles liegt ihnen im Blut, den Menschen im Land der Elfen und Trolle, der Insel aus Feuer und Eis. Anders könnten sie sich ihre sagenhafte Natur selbst nicht erklären.


extra|tour – Magazin des Deutschen Jugendherbergswerks, 3/2006
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© Textkultur Claudia Heinrich

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